Formel 1 in Spielberg

Ich hab ja heuer das Glück gehabt, live dabeizusein. Noch dazu recht günstig – ich wurde auf das Wochenend-Ticket eingeladen. DAS Thema des Wochenendes war natürlich dann der geschenkte Sieg für Schumi. Aber der Reihe nach:

Abfahrt Donnerstag früh mit dem Autobus der Fahrschule Schwedenplatz. Am Steuer der Chef persönlich, mit dabei einige Fahrlehrer und Freunde. Der Bus war vollgeschlichtet mit diversem Gepäck: Griller, Schlafsäcke, Futter für 13 Personen und 4 Tage (25 kg Grillfleisch!), eine komplette Bierzapfanlage mit 50-Liter-Fässern, ein Stromaggregat, eine Musikanlage für draussen, eine Kühltruhe, Tische und Bänke uvm. Das viele Zeug hatte durchaus Sinn – wenn man sich am Ringgelände verpflegen möchte, geht das unglaublich ins Geld. Eine Dose Fosters Bier etwa ist um heftige € 4,20 zu haben, ein halbes Grillhendl um ca. 7 Euro. Die ganze Region holt sich in den 4 Tagen des Grand Prix offenbar ziemlich alles an Einnahmen fürs ganze Jahr.
Schlafen im Bus ist zwar im Vergleich zum Zelt recht angenehm, eisig kalt wirds in der Nacht aber auch drinnen. Und eine zweite Liegematte wäre auch keine schlechte Idee gewesen. So ein Busboden ist doch sehr eben – und vor allem hart.
Freitag erstes Zeittraining. Es ist immer wieder beeindruckend, wie laut ein F1-Wagen wirklich ist. Im Fernsehen bekommt man das nur sehr unzureichend mit. Als der erste aus der Box rausfuhr und an uns vorbeiglühte, hatte wahrscheinlich jeder auf der Tribüne Gänsehaut – unwahrscheinlich und erschütternd, dieser Sound. Ergebnis: Ferrari vorne, und zwar Barrichello vor Schumi. Überraschung auf Rang 3 und 4 – die beiden Sauber.
Unsere Tribüne lag an der langen Bergauf-Gerade nach der ersten Kurve. Prinzipiell tolle Sicht auf etwa die Hälfte des Kurses. Bis man nach fast endlosem Marsch endlich auf seinem Platz sitzt, hat man aber durch die präzis angelegten Wege, Tribünen und Sperrzäune noch keinen Meter Rennstrecke gesehen. So kanns zwar nicht dazu kommen, daß jemand mit einem „Bronze“-Ticket gar einen „Supergold“ Blick erhascht oder einfach „Zaungast“ spielt – publikumsfreundlich ist das aber nicht wirklich. Rennen am alten Österreichring waren in dieser Hinsicht schon weitaus netter. Aber das gibts heute nirgends mehr, die Trennung zwischen zahlendem Publikum und Renngeschehen ist mittlerweile extrem geworden. Früher konnte man im Infield spazieren gehen, dort gabs Bierzelte, Standln mit Essen und Fanartikeln und man war wirklich mitten im Geschehen. Damals wars auch noch möglich, einen Blick ins Fahrerlager zu erhaschen (zwar nur durch den Zaun, aber immerhin). Heute ist das komplette Infield Sperrzone – Zutritt nur für VIPs und Teams.
Die Kartenverwaltung ist beeindruckend gelöst – numerierte Plätze auf den Tribünen, dutzende Abrisse auf den Karten, Zutrittskontrollen. Beeindruckend präzise, furchtbar lästig. Wie hat der Typ bei der vorletzten Durchgangskontrolle, der meine Originalkarte sehen wollte, geglaubt, daß ich durch die anderen Sperren gekommen bin? Geflogen?
Was ebenfalls genervt hat: es gab auf dem Campingplatz für schätzungsweise 1000 Leute grade mal 10 Toiletten und 8 Duschen(!). Dort war Warmwasser natürlich Mangelware. Ein einziges Mal ist es mir gelungen, heiß zu duschen – nachmittags um 4, wo kaum wer auf die Idee kam. Sonst – eiskalt.
Samstag Qualifikationstraining. Es hätte kaum spannender sein können – Barrichello Pole, daneben Schumi II, dahinter Montoya und Michael Schumacher. Ein Wunder, daß dieses Quartett dann heil durch die erste Kurve gekommen ist.
Sonntag früh wachte ich dadurch auf, daß ich gedacht habe, es gibt einen Luftangriff auf unseren Bus – dabei hat nur der Helikopterverkehr ums zehnfache zugenommen, um die ganzen VIPs einzufliegen. Duch unseren Standplatz direkt neben dem Landeplatz wars natürlich besonders arg.
Beim Rennen selbst fuhren die Ferrari wie in einer anderen Liga (als hätte man zwei F1-Wagen ins F3000-Starterfeld geschummelt). Es muß demoralisierend für einen Konzern wie Mercedes sein, wenn man Unsummen an Geld und Manpower in diesen Sport steckt und dann fährt Ferrari dem restlichen Feld innerhalb weniger Runden sowas von davon, daß es unglaublich war. Nach 5 Runden bogen die Ferrari bereits in die Remus-Kurve ein, als die Verfolger gerade mal am Ende der Start-Ziel-Geraden angekommen waren.
Die Safety-Car-Phase nach dem schweren Unfall von Heidfeld zog das Feld wieder zusammen. Dieser Crash war das Böseste, was ich seit langem in der Formel 1 gesehen habe. Das Auto von Sato sah aus, als hätte jemand seitlich einen Torpedo hineingejagt.
Am Ende des Rennens merkte man, daß Schumacher aus eigener Kraft nie im Leben noch an Barrichello vorbeigekommen wäre. Als die entscheidende Szene in die Videowalls eingeblendet wurde, als Barrichello 20 Meter vorm Ziel Schumacher vorbeiließ, ging eine Welle der Empörung durch die Menge. Pfeifkonzerte, gestreckte Mittelfinger und Ferrari-Fans, die an Ort und Stelle ihre Fahnen verbrannten – es war unglaublich. Wenn Schumi auf die Tribünen gekommen wäre, wäre er vermutlich gelyncht worden. Auch bei der Siegerehrung und der Pressekonferenz: Buhrufe, Pfeifkonzerte und enttäuschte Gesichter. Man hat uns um einen fairen Rennausgang betrogen. Und dafür sind die Tickets um etliches zu teuer…
Sonntag Abend die Abreise: durch die gute Organisation und teilweise Strassensperren durch die örtliche Polizei waren wir überraschend zügig auf der Schnellstrasse heimwärts. Wenn ich da ans Chaos der früheren Jahre denke, hat man sich dabei recht viel Gedanken gemacht.
Sonntag, 9 Uhr abends: wieder zurück in Wien. Mit gemischten Gefühlen: einerseits ein tolles Erlebnis, andererseits ein unfairer Sieg von Schumi und viele Kleinigkeiten, die gegen das Live-Erlebnis F1 sprechen. Ich weiß nicht, ob es mir das wert gewesen wäre, wenn ich mein Ticket um € 300 hätte selber zahlen müssen.

Spiegel: Geschenkter Sieg für Michael Schumacher
Daily F1: Donnerwetter für Ferrari
F1Total.com: Kritik nach Stallorder: Die Pfiffe waren nur der Anfang
F1Total.com: Ferrari an der Grenze der Legalität
Kurier Online: Formel Farce
Kurier Online: Ein netter Stimmungsbericht: Olle Aug’n glänz’n

Ernst Michalek
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1 Gedanke zu „Formel 1 in Spielberg“

  1. Ich kann gar nicht so richtig verstehen, warum sich alle so über Ferraris Stallregie empören. Sowas hat es doch schon immer gegeben, in allen Teams. Es ist Teil einer Strategie, die darauf abzielt den WM-Titel zu holen. Die Vorstellung, dass alle gegeneinander fahren und der Beste gewinnt finde ich arg romantisch und veraltet. Die Teams wollen mit allen Mitteln den Titel und Eccelstone Spannung und damit Proftmaximierung um jeden Preis. Deshalb greift die FIA in dieser Saison bestimmt auch noch ein und zieht Schumacher unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand Punkte ab oder belegt ihn mit einer Rennsperre. Mein Vorschlag zur Profitmaximierung: in einer virtuell nachgestellten Szene kollidieren am Karriereende Schumi 1 & Schumi 2. Das Ganze wird nach vorheriger Absprache mit Eccelstone und Heiko Wasser so im Fernsehen übertragen. Wochenlang Riesentrauer. Es werden Millionen Schumi-Gedächnis-Souvenirs verkauft. Die Schumi-Brüder sitzen derweil zusammen mit Willi Weber und Bernie Eccelstone in einer Schweizer Villa, genießen ihre widergewonnene Anonymität, zählen ihr posthum verdientes Geld und fahren mit Gokarts im Garten herum.

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