Derzeit läuft in Österreich das Sozialstaat-Volksbegehren. Der Artikel 1 der österreichischen Verfassung („Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“) soll um einen zweiten Absatz ergänzt werden:
„Österreich ist ein Sozialstaat. Gesetzgebung und Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele.
Vor Beschluss eines Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt (Sozialverträglichkeitsprüfung). Die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt solidarisch durch öffentlich-rechtliche soziale Sicherungssysteme.
Die Finanzierung der Staatsausgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.“
Eigentlich ist es ein trauriger Anlass: wir leben offenbar in einem Land, in dem die Politiker per Volksbegehren und darauf folgender Verfassungsänderung daran erinnert werden müssen, für wen sie eigentlich arbeiten und für wen sie sich daher eigentlich einsetzen sollten – für die Zukunft der Menschen in dem ihnen anvertrauten Land.
Ich werds jedenfalls unterschreiben – obwohl die Vergangenheit gezeigt hat, daß sowieso meist großzügig darüber hinweggegangen wird, was das Volk will (von dem ja angeblich das Recht ausgeht).
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Ich werd’s auch unterschreiben, sofern’s nächste Woche noch läuft…
Kleines Highlight der Angelegenheit am Rande (dann müsst ihr euch nicht auf der Sozialstaat-Site die elends-langen Diskussionen durchlesen):
Einer der Forum-User auf http://www.sozialstaat.at hat vorgeschlagen, die letzte Passage
„…, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.“ insoweit abzuändern, dass
„… alle Personen in Österreich… Beitrag leisten.“
Weil: Menschen sind Menschen. Personen können auch juristische welche sein, und dann sind Firmen in diese Formulierung eingeschlossen.
Ansonsten könnte ein findiger Unternehmer (Richie?) auf die Idee kommen, beim VfGh oder EUGh einzuklagen, dass er keine Sozialabgaben mehr zahlen muss, weil seine Firma definitiv nicht unter „Mensch“ fällt – und dabei vielleicht sogar recht bekommen. Steht ja in der Verfassung :)
lg
Susa