In seinem Weblog „View From The Top“ stellte TA-Vorstand Rudi Fischer letztens die Frage:
Wer finanzierts, wenn die Contentindustrie und großen Aggregatoren wie Yahoo und Google versuchen ihre Schäfchen mit Werbung ins Trockene zu bringen, und davon ausgehen, dass Distribution weltweit gratis ist?
und trat damit eine österreichische Diskussion zum Thema Netzneutralität los. Und dieses Thema ist wichtiger für uns alle, als es auf den ersten Blick scheint. Die Futurezone hat es in einem entsprechenden Artikel kurz zusammengefasst:
Netzneutralität ermöglicht es, dass die Daten jedes kleinen Startups gleichberechtigt mit jenen Informationen transportiert werden, die von den Servern großer Konzerne kommen. Netzneutralität ist daher eine der wichtigsten Grundlagen für ein lebendiges und an Innovationen reiches Internet.
Doch gerade dieses Prinzip wird in den USA seit längerem in Frage gestellt. Große US-Telekomkonzerne erklärten, den Erfolg der großen Serviceanbieter wie Yahoo und Google vor Augen, dass diese „eigentlich für die genutzten Leitungen bezahlen sollten“ und entfachten damit eine Debatte um eine mögliche Kontrolle der Netz-Inhalte.
Auf das Offline-Leben umgelegt würde das bedeuten, es dürften etwa nur mehr jene Autos die Autobahn benutzen, deren Hersteller „Schutzgeld“ an die Asfinag überwiesen haben UND die ein vom Besitzer finanziertes Autobahnpickerl haben. Die Diskussion über Netzneutralität wird in Europa noch heftig werden. Offenbar sehen hier die Provider zusätzliche Möglichkeiten, Kohle zu machen. Jedoch wird hier meines Erachtens übers Ziel hinausgeschossen: der Content-Anbieter ist dafür zuständig, mir Content zu bieten, der Provider ist dafür zuständig, mir den Content auszuliefern. Ohne Content gäbe es sowieso keinen Traffic, der (von mir als Kunde) bezahlt werden müsste. Und wieviel Traffic ich verursache, hängt davon ab, wieviel Content ich mir holen (und damit an Traffic bezahlen) will. Wenn der Provider mit diesen Einkünften nicht sein Auslangen findet, muß er das Preismodell für seine Kunden ändern – einfach neidisch auf innovativere Unternehmen zu schielen und hier noch zusätzlich Kohle abschöpfen zu wollen, lediglich mit der Begründung „weil sie eh genug Geld haben und nix dafür zahlen müssen, um erfolgreich zu sein“, ist modernes Raubrittertum, digitale Wegelagerei.
Weiters müsste es ein geschlossener Vorstoß aller Provider sein, denn welcher Kunde bleibt bei einem Provider, der ihm nur die Hälfte der Websites ausliefert, weil die andere Hälfte keinen Wegzoll bezahlt hat, wenn er woanders unlimitiert surfen kann? Problematisch wirds in einem Land wie dem unseren, wo (gerade im ländlichen Bereich) die Telekom noch ein Quasi-Monopol auf schnelle Internetzugänge hat. Damit fiele für einen Großteil der Kunden die Wahlmöglichkeit weg – die Zweiklassengesellschaft im Internet ist Realität geworden. Seid auf die Diskussion gefasst, ich gehe davon aus, daß zumindestens die großen Telekommunikationskonzerne dieses Thema europaweit aufwerfen werden. Und wir Kunden müssen gegenhalten, sonst stirbt das Netz in seiner Vielfalt, wie wir es heute kennen.
Demnächst in Ihrem Breitbandanschluß.
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