Songcontest 2005

Da es gestern abend sowieso nix Sehenswertes im Fernsehen gab, was ich nicht schon gesehen hätte, hab ich es mir angetan, den Songcontest mitzuverfolgen. Unsere Truppe, die Global Kryner sind ja gottseidank schon in der Vorrunde rausgeflogen, deshalb fiel Fremdschämen gestern weitgehend aus. Einige Beobachtungen:

– Kurze, orangegelbe Kittelkleider und tiefe Dekoltees waren der große Trend beim Contest 05. Wir haben insgesamt 7 Teilnehmernationen gezählt, die auf diese Kombination gesetzt haben (und tiefe Busen-Einblicke alleine gabs sogar noch mehr), insofern war der Sieg der Orangekittel-Dekoltee-Tante aus Griechenland keine allzugroße Überraschung. Allerdings wird sich der griechische Nationalstolz jetzt wohl endgültig überschlagen. Denn was will man mehr, als letztes Jahr Europameister zu werden und heuer den Songcontest zu gewinnen.

– Dancefloor und Blondinen – ein weiterer Trend heuer. Irgendwo existiert ziemlich sicher eine Soncontest-Blondinen-Klonstation, in der zwei Drittel des Teilnehmerfeldes gefertigt wurden. Man hatte oft den Eindruck, EINE Blondine würde in verschiedenen Sprachen, mit dezent veränderter Frisur und demselben Titel in einer anderen Sprache für mehrere Länder an den Start gehen.

– Ganz Deutschland rätselt mit der Bild-Zeitung über Gracias Niederlage – die deutsche Teilnehmerin wurde mit mageren 4 Punkten Letzte. Lag es an dem Skandal um gesteuerte Plattenkäufe? Oder war die schöne Gracia in der Nacht vor dem Grand-Prix-Finale zu lange auf der Piste?
Weder noch, liebe Bild-Zeitung. Aber auch andere Zeitungen rätseln über die Ursache der Niederlage – ich frage mich, was es da zu rätseln gibt. Wenn sich die Redakteure den Songcontest auch angesehen hätte, anstatt in Agenturmeldungen zu wühlen, hätten sie wahrscheinlich bemerkt, woran es lag: Gracia hat es als eine der wenigen Teilnehmerinnen geschafft, unglaublich falsch zu singen. Der Refrain ihres sonst durchaus eingängigen Liedes war zielloses Gejaule mit sich überschlagender Stimme, offenbar hat Gracia den Monitor-Kopfhörer verloren und hörte sich selbst nicht singen. Denn normalerweise lieferte sie weit besseren Gesang ab. Die Leistung gestern abend war aber tatsächlich mies: auf einem durchschnittlichen Karaoke-Abend singen die meisten Teilnehmer leider besser. Sorry, Deutschland. Die Niederlage ist zwar sicher bitter, aber verdient.

– Akustisch angenehme Unterbrechung des Blondinenreigens: Chiara, die Teilnehmerin aus Malta, deren Optik und Song in Kombination etwa mit „eine dicke Celine Dion“ beschrieben werden könnten. Mit ihrer Ballade „Angel“ belegte sie einen verdienten zweiten Platz, ich hätt ihr aber auch einen Sieg zugetraut.

– Schräge Vögel gab es ebenfalls zuhauf, trotzdem Alf Poier heuer nicht dabei war. Moldavien etwa: Bodygepainteter Frontmann, eine Oma im Schaukelstuhl daneben. Oder Norwegen: Glam-Rock-Truppe mit 80er-Optik, der Frontmann eine Mischung aus Drag-Queen, Gene Simmons, Alice Cooper und Cher. Oder Rumänien: mit Rhythmusgruppe, die auf alten Ölfässern und mit Winkelschleifern den Song begleitete.

– Design und Nutzbarkeit sind nicht zwingend Freunde: die TV-Inserts, in denen die Teilnehmersongs angekündigt wurden, waren nicht mal auf unserem großen Fernseher zu entziffern, Zuseher mit noch kleineren Empfangsgeräten werden wohl zu Fernrohr oder Lupe gegriffen haben. Hier hat der zuständige Designer grob gepatzt.

– Die Moderation hat für den ORF wiederum der Ö3-Star Andi Knoll übernommen, der durch schlagfertige und teils unglaublich ätzende Bonmots glänzte, die den Abend erträglicher machten. Die sehenswerten Pausenfüller der Veranstaltung wurden übrigens vom ORF nicht mit übernommen, anstelle dessen zeigte der ORF – Werbung. Schämt euch.

Update 23.5.: beim Standard gibts alle Teilnehmer mit Kommentaren als lesenwerte Ansichtssache

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Ernst Michalek
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3 Gedanken zu „Songcontest 2005“

  1. dasmit deer werbung in den pausen – fällt mir immer wieder negativ auf, dass der orf bei längeren sendungen sowas macht. dürfen die denn das? gibt’s da nicht ein entprechendes gesetz dagegen? da kann ich ja gleich RTL schauen, die stehen wenigstens dazu und schimpfen sich nicht „öffentlich-rechtlich“….

  2. Die Kategorie heisst halt „Radio, _TV_ und Film“, wobei der Songcontest unter TV fällt (würd ich halt meinen ;-)

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